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Deeptetch Nation: Weche Zukunft für das Schweizer Modell?
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Livre électronique462 pages4 heures

Deeptetch Nation: Weche Zukunft für das Schweizer Modell?

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Welchen Platz kann die Schweiz in einer von amerikanischen und asiatischen Giganten dominierten Hightech-Welt einnehmen ? Wie können wir ein ausreichendes Mass an technologischer Souveränität sicherstellen ?

Der Autor eröffnet die Debatte und liefert Denkanstöße, die auf den historischen unternehmerischen Werten basieren, welche die Schweiz in den letzten 200 Jahren reich gemacht haben. Er unterstreicht dabei die strategische Bedeutung von Venture Capital für den Aufbau der Schweiz der Zukunft und ruft dazu auf, die Ressourcen des Landes für zehn ehrgeizige und zukunftsweisende Technologieprogramme, sogenannte « Moonshots » zu mobilisieren, bei denen die Schweiz weltweit eine führende Rolle spielen kann.

Begleiten Sie Dominique Mégret bei einer gründlichen und detaillierten Untersuchung der technologischen Zukunft der Schweiz!


ÜBER DEN AUTOR

Der Autor Dominique Mégret ist Leiter von Swisscom Ventures seit dessen Gründung im Jahr 2007.
LangueFrançais
Date de sortie10 sept. 2021
ISBN9782832110959
Deeptetch Nation: Weche Zukunft für das Schweizer Modell?

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    Aperçu du livre

    Deeptetch Nation - Dominique Mégret

    Vorwort

    Die Schweiz ist heute auf der Landkarte der Start-up-Nationen kein blinder Fleck mehr. So entstanden auch im Pandemiejahr 2020 wieder zahlreiche neue Technologiefirmen. Zürich und der Arc lémanique , aber auch Basel und Zug, sind zu Hotspots für Start-up-Gründungen in den Bereichen ICT, Bio-, Med- und Fintech geworden.

    Die Saat wurde bereits vor einem Vierteljahrhundert ausgebracht: Damals entstanden die ersten Wettbewerbe für Jungunternehmerinnen und -unternehmer sowie Technoparks. Das Thema des Technologietransfers aus der akademischen Forschung gewann sukzessive an Bedeutung. Die Hochschulen – insbesondere die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne – spielen eine zentrale Rolle als Brennpunkte neusten Ingenieurwissens und als Brutstätten für Deeptech-Firmen. Für eine wachsende Zahl unserer Studierenden ist der Sprung ins Unternehmertum zu einer attraktiven Alternative zum ersten Job in der Industrie geworden.

    Allein im ETH-Bereich gründeten Studierende, Doktorierende und Forschende in den letzten zehn Jahren rund 500 Spin-offs und schufen damit mehrere Tausend hochqualifizierte Arbeitsplätze in der Schweiz. Diese Firmen tragen auch dazu bei, dass wir Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Energiewende bewältigen und Fortschritte in Medizin und Gesundheitsvorsorge erzielen können. Zudem: Viele namhafte internationale Hightech-Firmen haben inzwischen in der Nähe zu unseren Hochschulen in der Schweiz eigene F&E-Aktivitäten aufgebaut. Ein weiteres Indiz für die Anziehungskraft des hiesigen Bildungs- und Innovationsstandorts.

    Eine Firma zu gründen ist eine Sache, die Wachstumsphase mit ausreichenden Mitteln finanzieren zu können, eine andere. Und auch hier bewegt sich die Schweiz. Das Venture Capital, das Schweizer Neugründungen zufliesst, hat in jüngster Vergangenheit stark zugenommen und überstieg 2020 zum zweiten Mal hintereinander die Grenze von zwei Milliarden Schweizer Franken. Die Hälfte der Gelder floss in die Standortkantone der beiden ETH, Zürich und Waadt. Mehr Finanzierungsrunden und mehr Fonds sind zu verzeichnen. Das strukturelle Problem, grössere Finanzierungsrunden mit Venture Capital aus der Schweiz zu realisieren, ist damit adressiert worden und die eingeschlagene Richtung verspricht Gutes. Firmen wie Swisscom Ventures und andere Investorengruppen haben wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung. Eine Publikation, die vor diesem Hintergrund die Genese und Hintergründe der «Deeptech-Nation» Schweiz beleuchtet, kommt somit zur richtigen Zeit.

    Vieles ist noch möglich, nur ausruhen auf den Lorbeeren nicht. Der internationale Vergleich mit europäischen Ländern, aber auch mit den USA, China oder Israel, zeigt, dass es für unser Land genügend Spielraum gibt, in der Zukunft noch zuzulegen.

    Einleitung

    Janus, der römische Gott der Übergänge,

    Entscheidungen und des Wandels

    Januar 2021. Ich schreibe dieses Buch unter dem doppelten Blick des Janus, die eine Seite der Vergangenheit, die andere der Zukunft zugewandt. Janus wird am 1. Januar gefeiert und gab dem Monat Januar (Januarius) , der den Beginn des Jahres markiert, seinen Namen. Diese mythologische Figur inspiriert mich deshalb, weil sie ein Symbol für den Lauf der Zeit und die mit Veränderung einhergehenden Fragen ist. Janus veranschaulicht die Herausforderung der heutigen Schweiz: Wie können wir uns von einer brillanten Vergangenheit inspirieren lassen, um die Aufgaben der Zukunft zu meistern? Die Schweiz befindet sich tatsächlich in einer sensiblen Übergangsphase von der industriellen Ära, in der sie sich weltweit hervorgetan hat, zum digitalen Zeitalter, das unverschämt von amerikanischen und asiatischen Riesen dominiert wird. Europa ist der grosse Verlierer der digitalen Transformation mit nur 2% der Marktkapitalisierung der 25 grössten Technologieunternehmen der Welt, auch Big Tech genannt. Es ist stark abhängig geworden von amerikanischer Software und asiatischen Geräten. Wie kam es dazu, dass Europa, ein Kontinent an der Spitze der wissenschaftlichen Forschung und der Innovation, seine technologische Souveränität verlor? Was müssen die Europäer und insbesondere die Schweizer tun, um Teile des Markts zurückzuerobern und das Machtverhältnis wieder auszugleichen? Welche Investitionen in Zukunftstechnologien müssen prioritär behandelt werden? Es ist eine Zeit der Entscheidungen… und des Wandels.

    Quelle:

    Internationaler Währungsfonds (IWF), UNESCO Institute for Statistics, Eurostat, Pitchbook, companiesmarketcap.com; Europa umfasst die 27 Mitglieder der Europäischen Union, Grossbritanien und die Schweiz

    200 Jahre Innovation

    Um teilweise eine Antwort auf diese Fragen zu geben, habe ich für den ersten Teil dieses Buches in die Vergangenheit geblickt. Ziel ist es, die historischen Stärken und Schwächen des Schweizer Modells besser zu verstehen, um es für die Zukunft intelligent neu zu positionieren. Meine Recherchen zu Schweizer Unternehmern haben meine Erwartungen übertroffen. Ich war sehr überrascht über das Ausmass ihres Erfolgs und die Modernität ihrer Werte. Diese basieren auf 200 Jahren Innovation in Hochpräzisionstechnologien, konsequenter Internationalisierung und dem Ehrgeiz, eine Nische auf globaler Ebene zu erobern. Diese Themen sind für heutige Start-ups noch immer hoch relevant.

    Wie hat sich die Schweiz zu einem weltweit führenden Zentrum für wissenschaftliche Forschung entwickelt? Mit nur acht Millionen Einwohnern, sprich 2% der Bevölkerung der USA oder Europas, schien die Eidgenossenschaft viel zu klein, um mit gleich langen Spiessen im Wettkampf um Deeptech mitzuhalten – also um Technologien aus sehr teurer Grundlagen- und angewandter Forschung. Und doch hat es die Schweiz geschafft, ein einzigartiges Netzwerk öffentlicher (CERN, ETHZ, EPFL…) und privater (Google, IBM, Disney Research…) Labors aufzubauen, was ihr eine weltweite Führungsposition in Bezug auf Patente und wissenschaftliche Nobelpreise pro Einwohner beschert¹. Sie wurde sogar die letzten zehn Jahre in Folge im Global Innovation Index (WIPO, Weltorganisation für geistiges Eigentum der UNO, und INSEAD) als innovativstes Land der Welt ausgezeichnet.

    Diese Forschungs- und Entwicklungsintensität (F&E) hängt teilweise mit dem Erfolg der Schweizer multinationalen Unternehmen zusammen, die im Verhältnis zur Grösse des Landes von aussergewöhnlicher Dimension sind. Nestlé, Roche und Novartis² belegen über alle Sektoren hinweg die Plätze eins, drei und vier der grössten europäischen Börsenwerte. Die Forschungsinfrastruktur ist zudem eng mit einem hocheffizienten industriellen Gefüge verbunden, das aus kleinen und mittleren Unternehmen besteht, die unauffällig und in der Öffentlichkeit wenig bekannt sind. Diese «Hidden Champions» sind ganz auf den Export von Hochpräzisionstechnologien ausgerichtet wie Straumann (Medtech), Debiopharm (Biotech) oder Sensirion (Mikrotechnologie). Sie teilen historische Werte, welche die Grundlage des Schweizer Modells des Unternehmertums bilden. Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist die Schweiz kein Land der Privatiers, sondern eine der unternehmerischsten Hightech-Nationen der Welt. Die Schweiz ist eine Deeptech Nation .

    Das Schweizer Modell des Unternehmertums 2.0

    Die grosse Frage ist, ob das Schweizer Modell auch in einer voll digitalisierten Zukunft erfolgreich sein wird. Grundsätzlich denke ich schon, denn die Werte des Schweizer Unternehmertums sind zeitlos: das Streben nach Exzellenz… und die Exzellenz im Forschungsbestreben. Die Schweiz verfügt über die Rahmenbedingungen (Forschungsfreiheit, Infrastruktur, Lebensumfeld, Besteuerung, politische Stabilität) sowie alle menschlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Trümpfe für den Erfolg in der Hightech-Branche… bis auf eines: ein weltklasse Start-up-Finanzierungs-Ökosystem! An Geld für F&E und die Seed-Phase mangelt es nicht. Aber in den Endrunden der am weitesten fortgeschrittenen Unternehmen, in denen es um die globale Führerschaft geht, sind Schweizer Investoren wenig präsent.

    Aus historischen und kulturellen Gründen sind innovative Unternehmen in Kontinentaleuropa im Bereich Venture Capital (VC) im Vergleich zu ihren angelsächsischen Konkurrenten chronisch unterfinanziert. Die von VC-Fonds unterstützten Start-ups, die ich «VC-Kids» nenne, sind die Kinder einer spezifischen Kultur, die in der Schweiz noch relativ selten ist. Sie geniessen einen fundamentalen Vorteil: nahezu unbegrenzten Zugang zu Kapital, ohne Einschränkungen der Rentabilität (z. B. $ 28 Mrd. für Uber, siehe Seite 200). So können sie sich ausschliesslich darauf konzentrieren, so schnell wie möglich zu wachsen. Der «Start-uper» verpflichtet seine Reputation auf der Grundlage eines Businessplans, anders als der klassische Unternehmer eines KMU, der sich selbst finanzieren oder sein persönliches Vermögen verpfänden muss, um Zugang zu Kapital zu erhalten. Der Zeitfaktor ist im Rennen um die Führung entscheidend: Während Hidden Champions 20 bis 25 Jahre gebraucht haben, um eine dominante Position zu erreichen, können VC-Kids ihre Konkurrenten in weniger als 10 Jahren hinter sich lassen. Daher ist es entscheidend, dass Schweizer Unternehmen Zugang zu den gleichen Risiko­kapitalressourcen haben, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

    Leider ist das auf dem europäischen Kontinent nicht der Fall, der die Bedeutung von Venture Capital noch nicht wirklich begriffen hat. Dabei handelt es sich um eine kapitalistische Revolution mit entscheidenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Auswirkungen auf die Entwicklung moderner Nationen. Dieses für Hightech-Unternehmer massgeschneiderte Finanzierungsinstrument ist zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil geworden für diejenigen, die es zu nutzen wissen. Die Amerikaner nutzen Venture Capital seit 50 Jahren mit phänomenalem Erfolg. Urteilen Sie selbst: Mit insgesamt $ 1200 Mrd.³, die in ihr Start-up-Ökosystem investiert wurden, teilweise von europäischen Investoren finanziert, haben die USA die Kontrolle über fast 80% des Kapitalwerts der Big Techs weltweit⁴ übernommen! Die Top 10 amerikanischen VC-Kids sind mit mehr als $ 9100 Mrd. bewertet. Dies entspricht dem Wert aller Börsen in Kontinentaleuropa zusammen⁵. Auch die Chinesen haben die strategische Bedeutung von Venture Capital für die Entwicklung einer leistungsfähigen Hightech-Industrie verstanden. In den letzten zehn Jahren haben sie deshalb ein massives Investitionsprogramm gestartet … und parallel in amerikanische VC-Kids investiert. Und zwar in einem solchen Ausmass, dass die Trump-Regierung chinesische Investitionen de facto verbot, wohl wissend um die Bedeutung der Hightech-Industrie im Wirtschaftskrieg.

    Europa und die Schweiz haben diese historische Chance noch nicht ergriffen. Das Fehlen von Innovationskapital macht sich dabei negativ bemerkbar. Mit nur 10% der kumulierten weltweiten Investitionen in den letzten 50 Jahren gegenüber 60%, die den Amerikanern zugeflossen sind⁴, verfügte das europäische Ökosystem über sechsmal weniger Ressourcen als die USA. Als direkte Folge hat es nur wenige globale Technologieführer – insbesondere im digitalen Bereich – hervorgebracht. Die Crème de la Crème der Start-ups wird oft von chinesischen und amerikanischen Marktführern aufgekauft, noch bevor diese eine kritische Masse erreichen. Dennoch war Europa in den 1970er Jahren ein wichtiger Big Tech-Player. Es hat es jedoch nicht geschafft, in eine neue Generation von Start-ups zu investieren, um sein Ökosystem zu festigen und die natürliche Erosion historischer Industriegruppen im Zusammenhang mit der von Schumpeter so geschätzten «kreativen Zerstörung» zu kompensieren.

    Verlust der technologischen Souveränität

    Diese Passivität hat schwerwiegende Folgen. Das Problem für Europa ist grundlegender als nur die Schwäche seiner Hightech-Industrie: Es hat die Kontrolle über seine eigene digitale Transformation, die sich auf alle ökonomischen und sozialen Bereiche auswirkt, verloren. Die Digitalisierung verteilt die Karten in allen Wertschöpfungsketten neu und verlagert Gewinne auf globale Onlineplattformen mit oligopolistischer Position. In diesem erbarmungslosen Modell der Plattformwirtschaft verbleiben margenschwache Arbeiten und Kosten in den Ursprungsländern, während Daten und Wertschöpfung zentralisiert werden. Ohne drastische Änderungen wird das derzeitige System unsere technologische Abhängigkeit weiter verstärken, auch in heute noch geschützten Bereichen wie Gesundheit, Verkehr oder Bildung.

    Sind wir dazu verdammt, zwischen digitalem Protektionismus (nach chinesischem Vorbild) und resignierter Unterwerfung (wie der Rest der Welt) zu wählen? Natürlich nicht! Die Wiederherstellung eines technologischen Gleichgewichts, das der wirtschaftlichen Grösse Europas (23% des Welt-BIP) entspricht, ist durchaus möglich. Vorausgesetzt, wir haben eine ehrgeizige Vision und stellen ausreichend Mittel bereit. Um mit den USA gleichzuziehen, muss Europa seine Investitionen in Venture Capital verdreifachen ($ 46 Mrd. in Europa im Jahr 2020, verglichen mit $ 156 Mrd. in den USA⁶). In der Schweiz müssen wir CHF 5 Mrd. pro Jahr anstreben (im Vergleich zu CHF 2.1 Mrd. im Jahr 2020), um in den Top 10 Innovationscluster weltweit zu bleiben. Das Ziel sollte es sein, CHF 10 Mrd. pro Jahr bis im Jahr 2030 zu erreichen.

    Achtung! Es handelt sich nicht um staatliche Subventionen, sondern um insgesamt rentable Investitionen, die produktiv sind und einen starken Einfluss auf zukünftige Arbeitsplätze haben. Sie ermöglichen es auch, technologische Abhängigkeiten zu reduzieren, ohne protektionistische Methoden anzuwenden und gleichzeitig die Freihandelsregeln einer globalisierten Welt zu respektieren. Warum macht Venture Capital bei solchen geopolitischen und wirtschaftlichen Vorteilen weniger als 1% des Nettovermögens der Schweizer Haushalte aus?⁷ Warum bevorzugen Investoren passive und spekulative Allokationen (Immobilien, börsennotierte Aktien, Anleihen, Rohstoffe), ohne direkten Einfluss auf Innovation und Wachstum? Es ist höchste Zeit, unsere Gewohnheiten zu ändern und einen, wenn auch minimalen, Anteil für Venture Capital bereitzustellen (1 bis 2% des Privat- und Unternehmensvermögens reichen aus), um das alte Europa wiederzubeleben und unser Schicksal wieder in die eigenen Hände zu nehmen.

    Aktionsplan

    Der zweite Teil dieses Buches ist konkreten Vorschlägen zur Anpassung des Schweizer Unternehmensmodells an die heutigen Umstände gewidmet. Die wichtigste dieser Massnahmen betrifft die Entwicklung eines kompletten Finanzierungsökosystems von der Anfangsphase (Gründung und Wachstum) bis hin zum Exit durch Börsengänge und Übernahmen. Das ist durchaus möglich: Die hervorragende Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Biotech- und Medtech-Ökosystems beweist es. Die gleichen Methoden müssen nun auf breiter Ebene in allen Sektoren angewendet werden.

    Ich bin erstaunt über das mangelnde öffentliche und institutionelle Interesse an diesem Thema: Während über die Finanzierung der öffentlichen und privaten Forschung mit CHF 22 Mrd. pro Jahr immer ein Konsens besteht, ist die Finanzierung der Kommerzialisierung von Innovationen durch zehnmal weniger Venture Capital weit weniger konsensfähig. Eine seltsame Logik, die soziokulturelle Blockaden widerspiegelt. Die in diesem Buch erwähnten Studien zeigen jedoch, dass der Erfolg von Innovationsclustern direkt und hauptsächlich mit dem Volumen der Investitionen korreliert.

    Um den Einsatz von Venture Capital zu fördern, schlage ich vor, es in einer lokalen Version, die ich Innovationskapital nenne, an die Schweizer Kultur anzupassen. Die Anlagestrategie sollte sich auf die historischen Schweizer Stärken, die Deeptechs, konzentrieren. Das Buch endet mit zehn grossen technologischen Herausforderungen, den «Moonshots», die angegangen werden müssen, um den ökologischen, gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Themen des 21. Jahrhunderts wirksam zu begegnen. Diese sinnvollen Projekte sind aussergewöhnliche Investitionsmöglichkeiten in Produkte mit sehr hoher Wertschöpfung, insbesondere in einer Logik der Info-Nano-Bio­­Cogno -Konvergenz und der Interdisziplinarität.

    Unternehmer und Investoren tragen gemeinsam eine grosse Verantwortung für die technologische Ausrichtung der Schweiz. Gemeinsam können wir einen aktiven Beitrag zum Aufbau der Welt von morgen leisten, von der wir heute träumen. Wir sind privilegiert, dass wir diese Wahl haben. Wir müssen ehrgeizig, mutig und innovativ sein. Wir können das Silicon Valley nicht einfach kopieren. Welches kapitalistische Modell, das mit den Schweizer Werten zu vereinbaren ist, wollen wir fördern? Welche Probleme mit hoher gesellschaftlicher Bedeutung wollen wir lösen?

    Diese Fragen können nicht durch eine zentralisierte Planung entschieden werden, sondern müssen Gegenstand von Diskussionen zwischen den Akteuren des Ökosystems sein. Deshalb habe ich mich mit einigen der bedeutendsten Unternehmer, Investoren und Wissenschaftler der Schweiz getroffen und sie gebeten, ihre Geschichten zu erzählen und sich die Schweiz von morgen vorzustellen. Es geht auch darum, ihnen Tribut zu zollen und neue Berufungen anzuregen, die für die Zukunft unseres Landes unerlässlich sind. «Im Leben geht es darum, etwas weiterzugeben», bringt der Lausanner Unternehmer Yann Guyonvarc’h die Idee auf den Punkt. Die Lebensgeschichten der in diesem Buch erwähnten Schweizer Persönlichkeiten können Sie in unseren Video-Podcasts entdecken: www.deeptechnation.ch / podcasts

    Viel Spass beim Lesen und Zuhören!


    1 Europäisches Patentamt (EPA): Die Schweiz ist mit 956 Patentanmeldungen pro Million Einwohner im Jahr 2018 weltweit führend, vor den Niederlanden (416). Die Schweiz hat 20 Nobelpreise in den « harten » Wissenschaften (Physik, Chemie und Medizin) erhalten, d.h. 231 pro Million Einwohner, die höchste Quote der Welt vor Schweden (168). Die Schweiz liegt in absoluten Zahlen auf Platz 6.

    2 Nestlé (CHF298 Milliarden), LVMH (CHF295 Milliarden), Roche (CHF262 Milliarden), Novartis (CHF188 Milliarden). Wertansätze zum 31.12.2020

    3 Die gesamten weltweiten Venture-Capital-Investitionen über einen Zeitraum von 50 Jahren (1970 – 2019) werden vom Autor auf ca. $ 2100 Mrd. geschätzt, davon in den USA, in Europa, 30% im Rest der Welt. Quellen: National Science Foundation, Science and Engineering Indicators 2002; CB-Insights (2005 – 2020), Hervé Lebret, A History of Venture Capital; Crunchbase, 2019 Global VC Report

    4 Marktkapitalisierung der 25 grössten High-tech-Konzerne der Welt. Siehe die Liste in Kapitel 7. Dazu gehören die sogenannten Big Tech-Firmen, sowohl Software als auch Hardware, wie Tesla oder Apple.

    5 www.tradinghours.com/markets Euronext $5.200 Mrd., Frankfurt $2.100 Mrd., Schweiz $1.900 Mrd

    6 Pitchbook KPMG Venture Pulse Q4 2020

    7 Bundesamt für Statistik: Nettovermögen von 5,3 Millionen Schweizer Steuerpflichtigen: 1993 Milliarden CHF Ende 2017. Hypothese: 50% der Investitionen aus der Schweiz, d.h. CHF 2,5 Mrd. pro Jahr für 5 Jahre. Also 12,5 Mrd. (0,6% des Nettovermögens), anschlies-send selbstfinanzierend (Evergreen). Bei dieser Berechnung werden die Vermögenswerte der Unternehmen nicht berücksichtigt.

    Deeptech Nation Forum

    Das Team von Swisscom Ventures verfolgt das Ziel, unternehmerische Erfahrungen zu teilen und eine Debatte über die Zukunft des Schweizer Hightech-Sektors anzuregen. Wir haben mehrere Videos und Podcasts mit den wichtigsten Persönlichkeiten des Schweizer Ökosystems produziert: Unternehmer, Investoren, Fachanwälte, Wirtschaftsführer und Politiker.

    Sie alle beantworten drei Fragen:

    •Wer sind Sie?

    •Welche unternehmerischen Erfahrungen haben Sie gemacht?

    •Was ist Ihre Vision für die Hightech-Schweiz von morgen?

    Diese Interviews finden Sie auf der Website:

    www.deeptechnation.ch

    Die Schweiz im Überblick


    8 Bundesamt für Statistik, www.bfs.admin.ch

    9 SECO Dez. 2020, PRESSEDOK2012_E.pdf

    Einige wichtige Daten des Schweizer Unternehmertums

    Erster Teil

    Schweizer

    Wissenschaftliche Forschung

    ETHZ

    Als der junge Albert Einstein (1879-1955) 1895 im Alter von 16 Jahren die Aufnahmeprüfung für die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) absolvierte, konnte er nicht ahnen, dass diese Hochschule ein Jahrhundert später zu den renommiertesten der Welt gehören würde. Mit 21 Nobelpreisträgern und einer Platzierung im europäischen Spitzentrio in direkter Konkurrenz zu Oxford und Cambridge ist die ETH Zürich heute die am besten bewertete wissenschaftliche Hochschule in Kontinentaleuropa. Die ETH Zürich wurde 1854 von der Schweizer Regierung gegründet, um den technischen Ausbildungsbedarf der jungen Industrie zu decken. Sie war bekannt für die Qualität ihrer technischen Ausstattung, einschliesslich des modernsten Maschinenbaulabors in Europa ¹⁰. Aber sie war damals relativ jung und klein im Vergleich zu den ehrwürdigen Universitäten Italiens (Bologna, 1088 gegründet), Englands (Oxford 1096, Cambridge 1209), Frankreichs (Paris 1150, Ecole Polytechnique X 1794) oder sogar Amerikas (Harvard 1636).

    Albert Einstein wählte die ETH Zürich, weil er aus einem sozialen Umfeld von polytechnischen Ingenieuren und Führungskräften der Elektroindustrie stammte, die zwischen München, Mailand, Turin und Zürich tätig waren. Erwähnenswert ist das ausserordentliche intellektuelle Wetteifern in dieser transalpinen Region im 19. Jahrhundert. Drei von Einsteins «Nachbarn», die alle weniger als 350 km von Zürich entfernt lebten, leisteten wesentliche Beiträge auf dem Gebiet der Elektrotechnik: Volta (Italiener aus der Lombardei, erfand die elektrische Batterie), Ohm (Deutscher aus Bayern) und Ampère (Franzose aus der Region Rhône-Alpes). Wir finden sie alle im berühmten Ohm‘schen Gesetz, grundlegend für jeden Studenten der Elektronik: U = R × I, das heisst U (die Spannung in Volt V) = R (der Widerstand in Ohm Ω) × I (der Strom in Ampere A)¹¹. Nikola Tesla, der geniale Erfinder des Wechselstrommotors, war ebenfalls nicht weit weg: Er studierte in Graz und Prag und arbeitete in Budapest.

    In dieser Zeit entstanden auch Giganten der elektrotechnischen Industrie wie Brown Boveri (der Ursprung von ABB) in Baden oder die SACM (Vorläufer von Alstom und Alcatel) in Mulhouse im Elsass, 100 km von Zürich entfernt. In diesem Umfeld voller hoher wissenschaftlicher und unternehmerischer Reize ist es nicht verwunderlich, dass der junge Einstein von der Magie der «Fee Elektrizität» fasziniert war und mehr erfahren wollte. Er begann mit der Erforschung des photoelektrischen Effekts, was ihm 1921 den Nobelpreis für Physik einbrachte. So

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